Biozid

Die Vorschriften über Biozidprodukte


Diese Seite wird seit 2022 nicht mehr aktualisiert.

Die Schweizer Biozidprodukteverordnung VBP und die Verordnung über Biozidprodukte BPR der EU

Die Vorgeschichte

Vor 1998 waren in der EU die Bewilligungen zum Inverkehrbringen von Biozidprodukten den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Manche Mitgliedstaaten hatte keine Regelungen über Biozidprodukte, andere sehr unterschiedliche. Um die sich daraus ergebenden Handelshemmnisse abzubauen, wurde damals der heute immer noch nicht abgeschlossene Prozess gestartet, die einzelstaatlichen Zulassungsanforderungen zu ersetzen durch gemeinschaftlichen Anforderungen, die für alle EU-Staaten übereinstimmen. Im Jahr 1998 wurde dazu die Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozidprodukten in Kraft gesetzt. Diese Richtlinie wurde im Jahr 2012 durch die heutige Verordnung über Biozidprodukte BPR, (EU) Nr. 528/2012 (konsolidiert November 2014) ersetzt (die originale Ausgabe (EU) Nr. 528/2012 war fehlerhaft). Die aktuelle konsolidierte Version ist vom Juni 2021.

Ein wichtiges Ziel der Richtlinie 98/8/EG war, dass für die ganze EU nur noch Wirkstoffe für die Herstellung von Biozidprodukten verwendet werden, welche eine "Eignungsprüfung" gemäss den Anforderungen der Richtlinie bestanden haben und deshalb als "genehmigt" gelten.

Für die Zeit bis zum Abschluss der damals auf etwa 10 Jahre geschätzten Dauer der "Eignungsprüfungen" wurde ein Übergangsverfahren festgelegt: Diejenigen Wirkstoffe, welche vor dem 14. Mai 2000 auf den Markt waren, mussten bis zum 31. Januar 2003 bei der EU gemeldet (notifiziert) werden, worauf diese Stoffe in die Liste der "notifizierten Wirkstoffe" aufgenommen wurden. (Die Verordnung (EG) Nr. 2032/2003 informiert detailliert darüber). Dann wurde das erwähnte Prüfprogramm gestartet, um die in Frage kommenden, auf dem Markt befindlichen Wirkstoffe zu prüfen und sie entweder zu genehmigen oder ihre Verwendung als Wirkstoffe für Biozidprodukte zu verbieten.

Nach einem positiven Entscheid über die Genehmigung eines notifizierten Wirkstoffs wird dieser aus der Liste der notifizierten Wirkstoffe entfernt und in die sogenannte Unionsliste ("Summary" anklicken) der genehmigten Wirkstoffe eingetragen. Nach einem negativen Entscheid wird der betreffende Stoff aus der Liste der notifizierten Wirkstoffe entfernt und darf, abgesehen von Abverkaufsfristen, nicht mehr als Biozidwirkstoff verwendet werden. Inzwischen wurde beschlossen, dass erst bis 2024 über die Genehmigung der verbliebenen notifizierten Wirkstoffe entschieden werden muss.

Für die jeweils noch auf der Liste verbliebenen notifizierten Wirkstoffe gilt die Regelung, dass Biozidprodukte, welche mindestens einen notifizierten Stoff enthalten, in den einzelnen Mitgliedstatten weiterhin gemäss den dortigen individuellen Gesetzgebungen in Verkehr gebracht werden können.
Für Biozidprodukte, welche keinen notifizierten, sondern ausschliesslich genehmigte Wirkstoffe enthalten, sind dagegen zwingend die Bestimmungen der heutigen BPR-Verordnung anzuwenden (auch in der Schweiz).


Die Schweiz und die Bestimmungen der EU über Biozidprodukte

Die Schweiz hat im Jahr 2005 ihre damalige Biozidprodukteverordnung so gestaltet, dass sie so weit wie möglich mit der EU-Richtlinie 98/8/EG kompatibel war, um technische Handelshemmnisse zu vermeiden. Diese Angepassung machte es möglich, im Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81) zwischen der Schweiz und der EU auch die gegenseitige Anerkennung der Zulassungen von Biozidprodukten zu vereinbaren.

Nachdem die EU im Jahr 2012 ihre Richtlinie 98/8/EG über Biozidprodukte durch die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über Biozidprodukte ersetzt hatte, nahm die Schweiz im Jahr 2014 eine Teilrevision ihrer Biozidprodukteverordnung vor, woraus die heutige Schweizer Biozidprodukteverordnung BPV, SR 813.12 resultierte. Diese wird seither laufend an die Bestimmungen BPR-Verordnung der EU angepasst. Dies ermöglichte unter anderem, den Teil über Biozidprodukte des Abkommens mit der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen aufrechtzuerhalten. Die Bestimmungen über Biozidprodukte dieses am 14. April 2015 aktualisierten Abkommens finden sich in seinem Kapitel 18. Darin wird unter anderem die gegenseitige Anerkennung von Vorschriften der Biozidprodukteverordnung VBP der Schweiz und der BPR-Verordnung der EU zur Prüfung und Zulassung von Biozidprodukten und zur Genehmigung von Biozidwirkstoffen vereinbart. Weil dadurch die vereinbarte technische Äquivalenz der Vorschriften gewährleistet ist, gelten die meisten der nachfolgenden Ausführungen über die BPR-Verordnung sowohl für den EWR, als auch für die Schweiz.

Dank diesem MRA-Abkommen ist die Situation für Schweizer Firmen bezüglich Zulassung von Biozidprodukten, die nur Wirkstoffe der Unionsliste enthalten, so wie wenn die Schweiz ein Mitgliedstaat der EU wäre. Deshalb kann eine Schweizer Gesuchstellerin Zulassungen nach BPR für solche Biozidprodukte nicht nur für die Schweiz, sondern auch für irgend ein Land des EWR direkt aus der Schweiz beantragen (mit dem R4BP 3-System der ECHA). Umgekehrt kann eine Gesuchstellerin im EWR ihren Sitz nur im EWR haben und Gesuche für BPR-Zulassungen von Biozidprodukten in der Schweiz direkt aus ihrem Land einreichen. Dazu ist auch in der Schweiz wie in einem Land des EWR die IT-Infrastruktur der EU-Chemikalienagentur ECHA (Datenbank R4BP 3 mit IUCLID 6) zu verwenden.

Zur Artikel 95-Liste:
Die Schweiz hat unter anderem von der EU die Forderung übernommen, dass alle Wirkstoffe der in Verkehr gebrachten Biozidprodukte von Lieferanten stammen müssen, die in der sogenannten Artikel 95-Liste der EU-Chemikalienagentur ECHA gelistet sind. Die Vertreiber von Biozidprodukten in der Schweiz mit einer Zulassung ZN oder ZB mussten/müssen der Anmeldestelle des Bundesamts für Gesundheit bestätigen, dass diese Anforderung erfüllt ist, für Details siehe Artikel 95-Nachweispflicht.

zur Navigation

Die in der Schweiz und im EWR geltenden Bestimmungen über Biozidwirkstoffe und Biozidprodukte

Die Chemikalienagentur ECHA trägt heute neben der REACH-Verordnung, der CLP-Verordnung und der PIC-Verordnung auch die Hauptverantwortung für die Verwaltung der BPR-Verordnung (EU) Nr. 528/2012. Diese Verordnung ersetzt wie schon erwähnt die aufgehobene Biozidprodukterichtlinie 98/8/EG. Einzelne Bestimmungen der Richtlinie 98/8/EG sind jedoch wegen langen Übergangsfristen immer noch in Kraft, unter anderem die alten Bestimmungen der Schweiz über diejenigen Biozidprodukte, die noch einen für die betreffende Produktart (product type PT) notifizierten Wirkstoff enthalten.

Zulassung von Biozidprodukten nach Schweizer Recht

Wie schon erwähnt, können Biozidprodukte, welche einen immer noch für die betreffende Produktart als notifiziert geltenden Biozidwirkstoff enthalten, nicht nach der BPR-Verordnung zugelassen werden. Für solche Biozidprodukte ist in jedem Staat des EWR nach seinem einzelstaatlichen Verfahren vorzugehen. Für die Zulassung eines solchen Produkts in der Schweiz muss eine Zulassung ZN beantragt werden. Dies muss online mithilfe des Schweizer Produkteregisters für Chemikalien erfolgen. Das dafür anzuwendende Vorgehen ist in einer Schulungsunterlage beschrieben. Der Umfang der für eine Zulassung ZN erforderlichen Daten ist im Vergleich zu einer Zulassung nach der BPR-Verordnung wesentlich kleiner: Sicherheitsdatenblatt, Vorschlag für eine Produktetikette, die für einzelne Produktarten erforderlichen Wirksamkeitstests, sowie etliche adminstrative Angaben.

Analog zu den Zulassungen nach der BPR-Verordnung sind auch Schweizer "Zulassungen ZN als gleiches Biozidprodukt" und "Zulassungen ZN als Biozidproduktefamilie" möglich.

Die Schweizer Zulassungen ZN gelten nur für die Schweiz und nur so lange, bis der letzte im Produkt enthaltene notifizierte Wirkstoff durch die EU genehmigt worden und in die Unionsliste der Wirkstoffe aufgenommen, oder aber für die Verwendung als Biozidwirkstoff verboten wurde. Wenn der Wirkstoff aus der Liste der notifizierten Wirkstoffe entfernt worden ist, kann das betreffende Produkt nur noch während höchstens 360 Tagen in Verkehr gebracht werden und dann während höchstens 360 Tagen an Endverbraucherinnen abgegeben werden. Anschliessend darf es nur noch weiterhin vermarktet werden, wenn es nach den Anforderungen der BPR-Verordnung erneut für die Schweiz zugelassen wird. Nähere Angaben dazu finden sich in der Zusammenstellung Konsequenzen der Genehmigung eines Biozidwirkstoffs.

Die Bestimmungen BPR-Verordnung

Eine allgemeine Einführungen zur BPR-Verordnung findet sich auf der Seite der ECHA: Worum geht es bei der Verordnung über Biozidprodukte?.

Behandelte Waren

Durch die BPR-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ist erstmals auch das Inverkehrbringen von mit Biozidprodukten behandelten Waren und Materialien von einschränkenden Vorschriften betroffen. Die für die Behandlung verwendeten Biozidprodukte dürfen nur Biozidwirkstoffe enthalten, die in der Liste der für die Behandlung von Erzeugnissen zugelassenen Biozidwirkstoffe enthalten sind.

Die Genehmigung von Biozidwirkstoffen

Die Prüfung und Genehmigung von notifizierten Biozidwirkstoffen nach der BPR-Verordnung geschieht in einem äusserst aufwendigen und Jahre dauernden Verfahren, welches nur zahlungskräftige Organisationen durchstehen können. Dieses Verfahren umfasst die Prüfung des Stoffs nach den Vorgaben des Anhangs II der BPR-Verordnung und eines damit hergestellten Biozidprodukts nach den Vorgaben des Anhangs III dieser Verordnung. Die Prüfungen werden durch die beantragende, normalerweise private Organisation in Auftrag gegeben. Die Resultate dieser Prüfungen werden in einem umfangreichen Dossier zusammengestellt und in das Register der EU für Biozidprodukte R4BP 3 übertragen. Anschliessend wird normalerweise dem von der Antragstellerin vorgeschlagenen Mitgliedstaat der EU (der zustimmen muss) die Aufgabe übertragen, das Dossier zu prüfen und einen Prüfbericht zu verfassen. Dieser Prüfbericht wird dann durch jeden Mitgliedstaat beurteilt. Erst wenn alle Mitgliedstaaten damit einverstanden sind, wird die Genehmigung des betreffenden Wirkstoffs ausgesprochen.

Für die Prüfung und Genehmigung von neuen Biozidwirkstoffen nach der BPR-Verordnung besteht ein geändertes Verfahren.

Nach der Genehmigung eines Biozidwirkstoffs wird er wie schon erwähnt in die Unionsliste ("Summary" anklicken) der genehmigten Wirkstoffe aufgenommen. Dies erfolgt in der Schweiz jeweils mit etwas Verspätung. Der in der Schweiz aktuelle Stand der Unionsliste ist durch den Anhang 2 der Schweizer Biozidprodukteverordnung dokumentiert. Die in der Schweiz jeweils gültige Liste der für eine vereinfachte Zulassung geeigneten Wirkstoffe findet sich im Anhang 1 der Schweizer Biozidprodukteverordnung.

zur Navigation

Die Bestimmungen über die Biozidprodukte

Die Zulassung

Falls ein nach dem oben beschriebenen Verfahre frisch genehmigter Wirkstoff der letzte oder einzige notifizierte Wirkstoff in einem nach nationalen Regelungen zugelassenen Biozidprodukt war, wird diese nationale Zulassung durch diese Genehmigung ungültig. Damit das betroffene Produkt weiterhin vermarktet werden kann, muss ein Zulassungsantrag im EU-Mitgliedstaat eingereicht werden, in welchem das Produkt in Verkehr gebracht werden soll. Dazu ist ein Prüfdossier gemäss den Anforderungen des Anhangs III der BPR-Verordnung erforderlich.

Eine weitere Voraussetzung für die Zulassung eines Biozidprodukts ist, dass alle darin enthaltenen Wirkstoffe von zugelassenen Lieferanten stammen müssen, welche in der sogenannten Artikel 95-Liste der EU-Chemikalienagentur ECHA gelistet sind. Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit hat dies in ihrer Information Artikel 95-Nachweispflicht erläutert. Schweizer Firmen können sich mithilfe des R4BP 3-Registers der EU für Biozidprodukte ebenfalls als Wirkstofflieferantin in die Artikel 95-Liste eintragen, wenn sie über eine Zugangsbescheinigung der Inhaberin des Genehmigungsdossiers für den betreffenden Wirkstoff verfügen.

Biozidprodukte (und auch Biozidwirkstoffe) werden jeweils für bestimmte Produktarten zugelassen, die in einer Liste der Produktarten der ECHA beschrieben sind.

Eine EU-Zulassung in einem Mitgliedstaat ist nur national gültig. Sollte die Vermarktung in weiteren Mitgliedstaaten erfolgen, ist bei diesen Staaten (via R4BP 3) ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung zu stellen. Dafür besteht ein vereinfachtes Zulassungsverfahren, bei welchem die ausführliche Prüfung des Produktes durch den Mitgliedstaat berücksichtigt wird, welcher die erste nationale Zulassung erteilt hat.

Es gibt die Möglichkeit der Unionszulassungen, durch welche ein Biozidprodukt gleichzeitig in allen Ländern der EU zugelassen wird. Allerdings sind solche Zulassungen sehr aufwendig, weil die erforderlichen Antragsdokumente in allen Sprachen der EU eingereicht werden müssen und das Gesuch durch sämtliche Länder der EU kostenpflichtig geprüft wird.

Im Gegensatz dazu sind die Vereinfachten Zulassungen sehr kostengünstig. Diese sind im Fall von Biozidprodukten möglich, welche nur als ungefährlich betrachtete Wirkstoffe enthalten, die im Anhang I der BPR-Verordnung gelistet sind.

Weiter gibt es die Zulassung für Biozidproduktfamilien. In solche Familien können mehrere Biozidprodukte aufgenommen werden, die für den denselben Zweck verwendet werden und in der Zusammensetzung spezifizierte Abweichungen aufweisen können, welche jedoch weder das Risikopotenzial erhöhen, noch die Wirksamkeit der Produkte verringern dürfen. Beispielsweise können Wirkstoffe und auch Stoffe, die keine Biozidwirkstoffe sind, in verschiedener Konzentration gemäss vorgewählten Bereichen vorliegen, wobei für einzelne dieser Stoffe auch die Konzentration 0 % möglich ist.

Es gibt zudem die Zulassung gleicher Biozidprodukte oder gleicher Biozidproduktfamilien. Es geht dabei um Zulassungen von Produkten, welche bereits für eine Firma A unter ihrem Produktnamen A zugelassen worden sind, in der Zusammensetzung unverändert und für den gleichen Zweck entweder für die Firma A unter einem Produktnamen B zugelassen werden oder (mit einer Zugangsbescheinigung der Firma A" für eine Firma B) unter deren Produktnamen C zugelassen werden.

Zulassungen von Biozidprodukten sind zeitlich auf maximal 10 Jahre begrenzt. Der Inhaber einer bald ablaufenden Zulassung kann bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates, welche die Zulassung erteilt hat, spätestens 550 Tage vor dem Ablauftermin die Verlängerung der Zulassung beantragen.

zur Navigation

Die Leitlinien der ECHA zur Umsetzung der EU-Biozidprodukteverordnung BPR

Über die Umsetzung der Vorschriften der BPR-Verordnung bestehen umfangreiche Leitlinien und einige Biocides Submission Manuals.

Nachfolgend ist eine Liste von Links zu einschlägigen Hilfsdokumenten zum Thema wiedergegeben:


Das R4BP - Register für Biozidprodukte

Datenanforderungen für die Genehmigung von notifizierten Wirkstoffen

Definition des Begriffs "Similar conditions of use"

Der Ausschuss für Biozidprodukte

Der Bewertungsprozess für Biozidwirkstoffe

Dossiereinreichung für die Genehmigung von Wirkstoffen

IUCLID für die Erstellung von Dokumenten zur Eingabe in R4BP

Linksammlung zu Rechtsvorschriften über Biozidprodukte

Praktische Leitlinien betreffend Biozidprodukte

SPC-Editor für die Erstellung der "Summary of the product characteristics (SPC)" für Biozidprodukt-Zulassungen"

Entscheide über Nicht-Genehmigung notifizierter Wirkstoffe

zur Navigation