
Die Risikominderungsmassnahmen müssen angewendet werden
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Die Pflicht zur Umsetzung der ermittelten Massnahmen zur Risikominderung für die Anwender von Chemikalien
Die Umsetzung der bekannten Schutzmassnahmen und Vorsorgemassnahmen beim Umgang mit Chemikalien wurde bisher in der Gesetzgebung nur punktuell zwingend gefordert, am ehesten noch im Rahmen des Arbeitsrechts und des Produktesicherheitsrechts.
Viele im Chemiebereich tätige Firmen haben jedoch schon früher aus eigenem Interesse Massnahmen für den Umgang mit Chemikalien getroffen, welche über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen und unter dem Begriff "Responsible Care" zusammengefasst werden können.
Unter REACH sind solche Massnahmen nun verbindlich vorgeschrieben. Sie sind ein zentrales Element der REACH-Verordnung. Die Angaben der Sicherheitsdatenblätter über die Sicherheits- und Gesundheitsschutz- und Umweltschutzmassnahmen (auch zusammenfassend als Riskomanagement-Massnahmen RMM bezeichnet) gelten nun nicht mehr nur als Informationen, sondern sie sind (im EWR) als Anweisungen zu verstehen, welche befolgt werden müssen. Dies gilt besonders im Fall von Stoffen, für welche ein erweitertes Sicherheitsdatenblatt erhalten wurde.
Der Erhalt eines Sicherheitsdatenblatts mit einer Registriernummer eines von einem Anwender im EWR verwendeten Stoffs löst für ihn aufgrund der REACH-Verordnung bedeutende Verpflichtungen aus. Diese sind in den Leitlinien für nachgeschaltete Anwender (2014) im Detail beschrieben. Verschiedene Publikationen (z.B. Frequently Asked Questions) von REACH-Help Desks oder von Industrieverbänden präzisieren diese Leitlinien.
Im Wesentlichen geht es darum, die Anwendungsbedingungen für den betreffenden Stoff innerhalb von 12 Monaten nach dem dokumentierten Empfang des Sicherheitsdatenblatts mit dessen Bestimmungen in Einklang zu bringen. Durch die Pflicht zur belegbaren Umsetzung soll sichergestellt werden, dass bei den eigenen Anwendungsbedingungen des Herstellers und denjenigen der Kunden die Expositionen innert nützlicher Frist so ausreichend unter Kontrolle sind, wie im Sicherheitsdatenblatt vorgegeben.
Dies bedeutet (im EWR) unter anderem für jeden solchen Stoff:
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Das Eingangsdatum des Sicherheitsdatenblatts, das eine Registriernummer enthält, muss dokumentiert werden.
Falls man das Sicherheitsdatenblatt zurückweist, z.B. weil es nicht in der richtigen Sprache abgefasst ist, gilt das Eingangsdatum erst ab dem Erhalt der akzeptierten Version. -
Es muss geprüft werden, ob die eigene Verwendung des Stoffs (und gegebenenfalls diejenige der Kunden) im Abschnitt 1.2 des Sicherheitsdatenblatts angegeben ist und von den Expositionsszenarien ohne eindeutige Abweichungen abgedeckt ist. Bei Abweichungen kommt es weniger auf die Gleichheit der chemischen Abläufe, sondern vor allem auf die Gleichheit oder Ähnlichkeit der Expositionsbedingungen an. Zum Beispiel ist die Verwendung eines Lösemittels als Verdünner für Farben gleichwertig mit der Verwendung als Reinigungsmittel, wenn die Verwendungsbedingungen (Dauer, Häufigkeit, Temperatur und Stoffmengen) genügend übereinstimmen.
Sollte dies nicht nachgewiesen werden können, so muss dies innerhalb von 6 Monaten der ECHA gemeldet werden.
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Es muss geprüft werden, ob die eigenen Verwendungsbedingungen mit denjenigen des zutreffenden Expositionsszenarios ohne eindeutige Abweichungen übereinstimmen. Bei gewissen quantitativen Abweichungen, z.B. bei Vorhandensein einer kleineren Kläranlage als im Expositionsszenario postuliert, oder wenn der Stoff in einem anderen Konzentrationsbereich in Gemischen verwendet wird, besteht die Möglichkeit, die Abweichung durch sogenanntes "Scaling" rechnerisch zu kompensieren.
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Es muss geprüft werden, ob die in den zutreffenden Expositionsszenarien geforderten organisatorischen und technischen Schutz- und Kontrollmassnahmen ausreichend vorhanden und funktionstüchtig sind. Wenn z.B. eine Raumlüftung und/oder eine Quellenabsaugung von bestimmtem Wirkungsgrad verlangt wird, muss sichergestellt werden, dass die eigene Installation diese Anforderungen erfüllt. Im Fall von Gemischen sind die für jeden im Sicherheitsdatenblatt angegebenen Inhaltsstoff geltenden Anforderungen massgebend.
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Es muss sichergestellt werden, dass die in den zutreffenden Expositionsszenarien geforderten Persönlichen Schutzausrüstungen korrekt zur Anwendung kommen. Bei Gemischen sind dafür alle bekannten Inhaltsstoffe zu berücksichtigen.
Wenn (im EWR) das Resultat einer dieser Prüfungen "nicht erfüllt" ist, können Sie eine der folgenden Massnahmen zur Erfüllung, d.h. Legalisierung anwenden:
- Den Stofflieferanten auffordern, Ihre Verwendung des Stoffs in seinem Sicherheitsdatenblatt zu berücksichtigen. Dazu muss dieser das entsprechende Expositionsszenario mit den Bedingungen für die sichere Verwendung in seinen Stoffsicherheitsbericht aufnehmen und der ECHA einreichen.
- Einen anderen Lieferanten wählen, in dessen Sicherheitsdatenblatt Ihre Verwendung abgedeckt ist.
- Ihre Verwendung des Stoffs und die Verwendungsbedingungen so anpassen, dass die im Sicherheitsdatenblatt angegebenen Bedingungen für die sichere Verwendung erfüllt werden.
- Den Stoff durch einen anderen vom betreffenden Lieferanten für Ihren Zweck vorgesehenen Stoff ersetzen.
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Wenn Sie den Stoff verwenden wollen, ohne dass das Sicherheitsdatenblatt eines Lieferanten Ihre eigene Verwendung abdeckt, können Sie für Ihre Verwendung des Stoffs einen eigenen Stoffsicherheitsbericht ausarbeiten und ihn innert 12 Monaten bei der Chemikalienagentur ECHA einreichen. Über die Anforderungen für die Erstellung eines eigenen Stoffsicherheitsberichts informiert der Practical Guide 17 (How to prepare a downstream user chemical safety report). Ein solcher Stoffsicherheitsbericht muss nicht an die ECHA einreicht werden, sondern nur eine Kurzfassung davon, ein sogenannter Downstream User Report mit folgendem Inhalt:
- Identität und Kontaktdaten der Firma
- Registriernummer des Stoffs, falls verfügbar
- Identität des Stoffs
- Identität des Lieferanten
- Kurze Beschreibung der Verwendung(en) und der Verwendungsbedingungen
- Vorschlag für die Durchführung von Tierversuchen, falls als nötig erachtet (nur bei Verwendung von >1000 kg pro Jahr).
Detailliertere Informationen zu diesen Punkten finden sich in einem Fact Sheet der ECHA Sicherheitsdatenblätter und Expositionsszenarien.
Die Ansprüche an die Kompetenz der Anwender von Chemikalien sind damit stark gestiegen:
- Das zur Umsetzung erforderliche Know-how muss vorhanden sein.
- Die expositionsbestimmenden Parameter müssen bekannt sein.
- Organisatorische Risikomanagementmethoden können neu erforderlich werden.
- Technische Anlagen zur Expositionsbegrenzung müssen möglicherweise saniert oder neu installiert werden.
- Persönliche Schutzausrüstungen müssen möglicherweise durch geeignetere ersetzt werden.
Es empfiehlt sich, im Hinblick auf die zu erwartenden REACH-Umsetzungskontrollen die Durchführung aller in diesem Sinne durchgeführten Arbeiten zu protokollieren, d.h. belegbar zu machen.
Und in der Schweiz?
In der Schweiz bestehen keine gesetzlichen Bestimmungen der oben beschriebenen Art. Jedoch ist der sehr offen formulierte Artikel 5 unserer Chemikalienverordnung über die Selbstkontrolle (resp. Sorgfaltspflicht) zu beachten. Er ist unter anderem so zu interpretieren, dass die zum sicheren Umgang mit Chemikalien notwendigen Massnahmen nach dem Stand der Technik zu treffen sind. Weil die oben besprochenen, durch die REACH-Verordnung verlangten Massnahmen als heutiger Stand der Technik gelten, sind sie sinngemäss teilweise auch für die Schweiz massgebend, obwohl unsere Gesetzgebung zu diesem Thema keine explizit formulierten Detailanforderungen enthält.
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